Zur Einrichtung des Wechselmodells auch gegen den Willen eines Elternteils

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH setzt die Praktizierung eines paritätischen Wechselmodells voraus, dass die Eltern grundsätzlich über ein Mindestmaß an Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit verfügen. Das rein schematische Vortragen von Elternkonflikten, die angeblich ein Wechselmodell unmöglich machen, sind häufig nicht ausreichen

Sofern ein Elternteil ein Wechselmodell ablehnt, muss er hierfür nachvollziehbare und am Kindeswohl orientierte Gründe haben. Allein der Vortrag, es bestünden erhebliche Konflikte, die Absprachen unmöglich machen, genügen oft nicht. Es ist längst ständige Rechtsprechung, dass auch gegen den Willen eines Elternteils ein Wechselmodell angeordnet werden kann.

Entscheidender Maßstab der Anordnung eines Wechselmodells ist das Kindeswohl. Das Wechselmodell ist anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht.

So war es auch in einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden vom 14.04.2022, AZ: 21 UF 304/21. Hier ging es um die Fragestellung, ob das Wechselmodell für die Betreuung eines gemeinsamen Kindes auch gegen den entgegenstehenden Willen eines Elternteils angeordnet werden kann.

Das Gericht kommt nach Anhörung des Kindes zu dem Ergebnis, dass die Durchführung des Wechselmodells dem Kindeswohl am besten entspricht. Trotz der von einem Elternteil vorgetragenen konfliktbehafteten Elternsituation kommt das Gericht zu der Überzeugung, dass das Wechselmodell trotz des Elternkonflikts dem Kindeswohl dient.

Das OLG macht deutlich, dass ein diesbezüglicher Kindeswille auch bei Kindern bereits unter 14 Jahren erheblich sein kann, um ein Wechselmodell durchzusetzen, sofern dieser Wille frei und autonom gebildet wurde.

OLG Dresden, AZ 21 UF 304/21, Beschluss vom 12.04.2022

 

Bettina Lesch-Lasaridis

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Familienrecht

Arbeitgeber aufgepasst! – Neue Nachweispflichten ab 01.08.2022

Laut Nachweisgesetz muss der Arbeitgeber seine Beschäftigten über wesentliche Bedingungen des Arbeitsverhältnisses und auch über spätere Änderungen schriftlich informieren.

Mit Änderung des Nachweisgesetzes zum 01.08.2022 wurde der Umfang der den Beschäftigten bekanntzugebenden wesentlichen Vertragsbedingungen des Arbeitsverhältnisses deutlich erhöht. Die Zusammensetzung und Höhe der Vergütung, Angaben zum Arbeitszeitsystem mit Ruhe- und Pausenzeiten, Hinweise zum Verfahren bei Kündigungen – um nur einige der zusätzlichen Nachweispflichten zu nennen.

Zudem wurden die zu beachtenden und einzuhaltenden Nachweisfristen angepasst.

Das neue Nachweisgesetz gilt für Neu-Einstellungen von Beschäftigten ab dem 01.08.2022, aber auch auf bereits bestehende Arbeitsverhältnisse können sich die erweiterten Nachweispflichten auswirken.

Haben Sie Fragen rund um das Thema oder möchten Ihre Arbeitsverträge überprüfen und entsprechend anpassen lassen?

Vereinbaren Sie einen Besprechungstermin – ich berate Sie gerne!

 

Carina Arneth

Rechtsanwältin

Voller Urlaubsanspruch bei Kurzarbeit?

Für zahlreiche Unternehmen war und ist die Einführung von Kurzarbeit während der Corona-Pandemie nicht vermeidbar.

Teilweise wurde die sogenannte „Kurzarbeit Null“ eingeführt. Arbeitnehmer mussten ihre Arbeitspflicht folglich tageweise oder sogar monatelang nicht erfüllen.

Doch was passiert mit dem Urlaubsanspruch der Arbeitnehmer, die sich in „Kurzarbeit Null“ befinden?

Gemäß Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts (Az.: 9 AZR 225/21) ist die anteilige Kürzung bei Kurzarbeit Null zulässig. Bei der Kurzarbeit Null werden Arbeitnehmer temporär von ihrer Arbeitspflicht entbunden und müssen ihrer Tätigkeit vorübergehend nicht nachgehen. Für eben diese Zeiträume ohne Arbeitspflicht erwerben Arbeitnehmer laut Urteil des Bundesarbeitsgerichts nun auch keinen anteiligen Urlaubsanspruch mehr. Der Arbeitgeber ist folglich berechtigt, für Zeiträume der Kurzarbeit Null den Urlaubsanspruch entsprechend zu kürzen. Befand sich der Arbeitnehmer beispielsweise 3 Monate des Jahres in Kurzarbeit Null, verliert er 25% seines jährlichen Urlaubsanspruchs.

Eine entsprechende Kürzung kommt jedoch tatsächlich nur für Zeiten der Kurzarbeit Null in Betracht.

Gerne berate ich Sie ausführlich zu diesem Thema!

Carina Arneth
Rechtsanwältin

Baurecht: Streit über die Höhe der Stundenlohnabrechnung

Der Bauherr, der die ihm vorgelegten Regiezettel abgezeichnet hat, kann nach Abschluss der beauftragten Werkleistungen gleichwohl den Einwand der unwirtschaftlichen Leistungserbringung erheben. Es ist höchstrichterliche Rechtsprechung, dass die Vereinbarung einer Stundenlohnabrechnung nach Treu und Glauben eine vertragliche Nebenpflicht zur wirtschaftlichen Werksausführung begründet. Im gerichtlichen Klageverfahren muss der Auftraggeber lediglich die ihm bekannten oder ohne weiteres ermittelbaren Umstände vortragen, aus denen sich die Unwirtschaftlichkeit der Betriebsführung ergibt. Vom Auftraggeber kann kein gesteigerter Sachvortrag verlangt werden, der seinen Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit in vollem Umfang erläutert. Den Auftragnehmer trifft gegebenenfalls die sekundäre Darlegungslast zur Art und Umfang der nach Zeitaufwand abgerechneten Arbeitsstunden.

Peter Lesch
Rechtsanwalt u. Dipl.-Kfm.
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Großeltern müssen nunmehr vermehrt damit rechnen, Unterhalt für ihre Enkel zahlen zu müssen!

Der Bundesgerichtshof hat am 27.10.2021 entschieden, dass geschiedene Väter oder Mütter mit wenig Geld sich nicht so stark für den Kindesunterhalt verausgaben müssen, wenn finanziell gut gestellte Großeltern vorhanden sind.

Grundsätzlich sind die Eltern verpflichtet, für den Unterhalt ihrer minderjährigen Kinder aufzukommen. Derjenige Elternteil, bei dem die Kinder leben, leistet regelmäßig Unterhalt durch Betreuung und Versorgung, der andere durch die Zahlung eines Barunterhaltes. Wenn die finanziellen Mittel der Eltern jedoch gerade ihren eigenen angemessenen Unterhalt decken und darüber hinaus kein weiterer finanzieller Spielraum für die Zahlung von Kindesunterhalt besteht, können bei entsprechenden Einkommensverhältnissen der Großeltern auch diese in Anspruch genommen werden.

Der angemessene Selbstbehalt der Eltern minderjähriger Kinder liegt aktuell bei 1.400 €.

Wenn also die Eltern nicht leistungsfähig sind, sieht der Bundesgerichtshof auch die Großeltern in der Pflicht. Als Verwandte in gerader Linie sind sie ihren Enkeln grundsätzlich ebenfalls unterhaltspflichtig. Allerdings hat das Gericht auch klargestellt, dass die Ersatzhaftung der Großeltern weiterhin eine Ausnahme bleibt. Darüber hinaus haben Großeltern deutlich höhere Selbstbehalte, dies sind derzeit 2.000 € plus die Hälfte des darüber liegenden Einkommens.

Wenn sich ein unterhaltspflichtiger Elternteil darauf berufen will, dass leistungsfähige Großeltern vorhanden sind, dann muss er das darlegen und beweisen.

Die Haftung der Großeltern ist in § 1607 BGB geregelt und grundsätzlich nichts Neues. Neu ist, dass den Eltern nicht nur der notwendige Selbstbehalt in Höhe von 1.160 € verbleiben soll, sondern auch der angemessene Selbstbehalt in Höhe von 1.400 €.

Bettina Lesch-Lasaridis
Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Fachanwältin für Familienrecht

Immobilienübergabe zu Lebzeiten

Viele Eigentümer von Immobilienvermögen stellen sich in ihrem letzten Lebensabschnitt die Frage, ob sie vorhandenes Immobilienvermögen nicht mit „warmer Hand“ an die nächste Generation übergeben soll.

Im Falle einer lebzeitigen Übertragung sollte sichergestellt sein, dass derjenige der die Immobilie abgibt, durch den Übergabevertrag ausreichend versorgt ist und ihm die Last der Immobilienverwaltung abgenommen wird.

Oftmals behält sich der Übergeber ein Wohnungs- oder Nießbrauchrecht vor. Allerdings können auch zahlreiche andere Gegenleistungen vereinbart werden. Besonders wichtig ist, dass für den Übergeber eine Rückforderungsmöglichkeit bezüglich der Immobilie besteht, wenn zum Beispiel folgende unerwartete Ereignisse

– Tod des Übernehmers
– Verfügungen des Übernehmers über die Immobilie ohne Zustimmung des Übergebers
– Scheidung des Übernehmers
– Zwangsvollstreckung gegen den Übernehmer

eintreten.

Gerne berate ich Sie in obiger Rechtssache!

Peter Lesch
Rechtsanwalt u. Dipl.-Kfm.
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Quarantäne während des Urlaubs – bekomme ich meine Urlaubstage zurück?

Sie haben gerade erst Ihren Urlaub angetreten und kurz darauf müssen Sie sich aufgrund behördlicher Anordnung in häusliche Quarantäne begeben. Was nun? Muss Ihnen der Arbeitgeber die „verlorenen“ Urlaubstage zurückgewähren?

Die Nachgewährung von Urlaubstagen richtet sich nach § 9 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG). Voraussetzung dafür ist, dass der Arbeitnehmer während seines Urlaubs arbeitsunfähig erkrankt und dies durch ein ärztliches Zeugnis nachweisen kann. Die so nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeitstage werden auf den Jahresurlaub nicht angerechnet.

Eine behördliche Quarantäneanordnung ersetzt jedoch kein ärztliches Attest. Dies führt dazu, dass § 9 BUrlG keine Anwendung findet und der Arbeitgeber Ihnen den Urlaub nicht nachgewähren muss. Auch wenn die behördliche Quarantäneanordnung aufgrund eigener Coronainfektion erfolgt, brauchen Sie zusätzlich ein ärztliches Attest damit Ihnen die Urlaubstage nicht angerechnet werden. Eine behördliche Quarantäneanordnung allein genügt als Voraussetzung für die Nachgewährung der Urlaubstage nicht.

Haben Sie noch Fragen zu dem Thema? Dann berate ich Sie natürlich gerne.

Carina Arneth
Rechtsanwältin

Architektenhonorar: Berechnung des Architektenhonorars

In sogenannten Standard-Planungsverträgen werden die Architekten oftmals mit einzelnen Leistungsphasen der HOAI beauftragt.

Diese bestimmten aber nicht automatisch den beauftragten Leistungsumfang und die damit verbundene Honorarabrechnung.

Welche Architektenleistungen vereinbart sind, ergibt sich durch Auslegung des Architektenvertrags, gem. §§ 133, 157 BGB. Umfang und Inhalt der Beauftragung bestimmen sich allein nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Die HOAI als gesetzliches Preisrecht enthält keine normativen Leitbilder für den Inhalt von Architektenverträgen. Die Leistungsbilder als Auslegungshilfe zur Bestimmung der vertraglich geschuldeten Leistungen herangezogen werden. Bei der Auslegung sind stets die gesamten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen und der beauftragte Leistungsumfang ist konkret festzustellen, wobei die Darlegungs- und Beweislast bei der Partei liegt, die hieraus günstige Rechtsfolgen für sich ableitet.

Peter Lesch
Rechtsanwalt u. Dipl.-Kfm.
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Bankrecht: Vorfälligkeitsentschädigung

Nach einem aktuellen Urteil des OLG Frankfurt am Main kann der Darlehensgeber zwar nach § 502 Abs. 1 S. 1 BGB im Fall der vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens eine angemessene Vorfälligkeitsentschädigung für den unmittelbar mit der vorzeitigen Rückzahlung zusammenhängenden Schaden verlangen, wenn der Darlehensnehmer zum Zeitpunkt der Rückzahlung Zinsen zu einem gebundenen Sollzinssatz schuldet. Der Anspruch ist jedoch gemäß § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen, wenn im Vertrag u.a. die Angaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind.

Nach Auffassung des OLG Frankfurt am Main sind die Vertragsangaben über die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend i.S.v. § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB, wenn sie nicht klar und verständlich sind. Maßgeblich ist die Sicht eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers.

Gerne prüfen wir für Sie die Rechtmäßigkeit einer Ihnen gegenüber geltend gemachten Vorfälligkeitsentschädigung!

Peter Lesch
Rechtsanwalt u. Dipl.-Kfm.
Fachanwalt für Erbrecht
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

Baurecht: Rechte des Auftraggebers bei mangelhaftem Werk

Ein Sachmangel liegt vor bei Abweichungen der Ist- von der Sollbeschaffenheit. Für die Sollbeschaffenheit ist in erster Linie die vereinbarte bzw. die im Vertrag vorausgesetzte Beschaffenheit maßgeblich. Fehlt es an beidem, kommt es darauf an, ob sich das Werk für die gewöhnliche Verwendung eignet und die Beschaffenheit aufweist, die üblich ist und vom Auftraggeber erwartet werden durfte.

Der Auftraggeber hat einen Anspruch auf Erstellung eines mangelfreien Bauwerks (sog. Primäranspruch). Das heißt, die ausgeführten Werkleistungen müssen den allgemeinen anerkannten Regeln der Bautechnik genügen. Nach Abnahme der ausgeführten Werkleistungen durch den Auftraggeber verwandelt sich der Primäranspruch in einen Anspruch auf Nacherfüllung.

Der Auftraggeber hat auch die Möglichkeit, die Nachbesserung auf Kosten des Werkunternehmers selbst vorzunehmen. Der Tatbestand setzt voraus, dass ein Nacherfüllungsanspruch des Auftraggebers besteht (d.h. der Nacherfüllungsanspruch darf nicht ausgeschlossen sein) und dass der Auftraggeber dem Unternehmer eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat oder eine Fristsetzung entbehrlich ist. Unter diesen Voraussetzungen darf der Auftraggeber den Mangel selbst beseitigen oder von einem Dritten beseitigen lassen. Von besonderer praktischer Relevanz ist die Möglichkeit des Auftraggebers, vom Werkunternehmer einen Vorschuss für die zur Mangelbeseitigung erforderlichen Aufwendungen zu verlangen. Auch wenn der Werkunternehmer die Nacherfüllung berechtigterweise verweigert, kann der Auftraggeber die für die Schadensbeseitigung erforderlichen Kosten von ihm erhalten, wenn der Werkunternehmer den Mangel zu vertreten hat. Denn dann kann der Auftraggeber den Mangel selbst beseitigen und die Kosten hierfür im Wege des Schadensersatzanspruchs statt der Leistung geltend machen.

Peter Lesch
Rechtsanwalt u. Dipl.-Kfm.
Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht