Ergänzende Testamentsauslegung
Hat der Erblasser in seiner letztwilligen Verfügung eine ihm nahestehende Person bedacht, so muss für den Fall des vorzeitigen Wegfalls des von ihm eingesetzten Erben der hypothetische Wille erforscht werden, den der Erblasser vermutlich gehabt haben würde, wenn er zum Zeitpunkt der Errichtung der letztwilligen Verfügung die künftige Entwicklung vorausschauend in Betracht gezogen hätte. Aus einer Gesamtschau kann der Schluss folgen, dass der Erblasser eine weitere nahestehende Person als Erben eingesetzt hätte, wenn er gewusst hätte, dass seine testamentarisch zum Erben bestimmte Person vorversterben würde. Auch der Umstand, dass der Erblasser in Kenntnis des Wegfalls der Erben nicht umgehend neu testiert hat, spricht nicht gegen eine ergänzende Testamentsauslegung.
Testament unwirksam – Testierunfähigkeit des Erblassers
Der Erblasser muss in der Lage sein, sich ein klares Urteil zu bilden, welche Tragweite seine Anordnungen haben, insbesondere welche Wirkungen sie auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen ausüben. Das greift auch für Gründe, welche für und gegen die sittliche Berechtigung der Anordnung sprechen. Nach seinem so gebildeten Urteil muss der Testierende frei von Einflüssen interessierter Dritter handeln können.
Testamentsfälschung – was nun?
Die Feststellungslast für die Gültigkeit eines Testaments trägt im Erbscheinverfahren der Antragsteller, der aus dem Testament ein Erbrecht ableiten will. Bestehen berechtigte Zweifel an der Echtheit des Testaments holt das Nachlassgericht von Amts wegen ein Schriftsachverständigengutachten ein. Kommt das Nachlassgericht zum Ergebnis, dass das Testament vom Erblasser eigenhändig ge- und unterschrieben wurde, kann eine zivilrechtliche Erbenfeststellungsklage möglicherweise endgültig „Klarheit“ bringen.
Peter Lesch
Rechtsanwalt und Dipl.-Kfm.
Fachanwalt für Erbrecht