Peter H. fragt: Am letzten Samstag hatte ich auf dem Parkplatz des Einkaufsmarktes einen Unfall. Ich parkte aus meiner Parkfläche aus und befand mich mit meinem Fahrzeug schon weitestgehend auf der Fahrspur zwischen den Parkflächen, als ein anderes Fahrzeug rückwärts ausparkend gegen meinen Wagen stieß. Ich habe gehört, dass in diesen Fällen oft eine Haftungsverteilung von 50:50 angenommen wird, stimmt das?

Bei der Regulierung eines Verkehrsunfalles, auch eines Unfalles auf einem privaten, aber öffentlich zugänglichen Parkplatz, z.B. eines Supermarktes, sind die in § 17 StVG enthaltenen Grundsätze zur Haftung, insbesondere zur Haftungsabwägung maßgeblich. Für die Haftung des vermeintlich Unfall“Schuldigen“ hat der Geschädigte die Darlegungs- und Beweislast, die strengen Anforderungen unterliegt. Kann dann ein wesentlicher Punkt zur sog. haftungsbegründenden Kausalität nicht aufgeklärt werden, wird zum Nachteil dessen, der die Beweislast hat, entschieden.

Bei typischen Abläufen spricht für den Beweisbelasteten eventuell ein sog. Anscheinsbeweis, dass also von einer bestimmten Ursache auf eine bestimmte Folge oder umgekehrt von einer bestimmten Folge auf eine bestimmte Ursache geschlossen wird. Der Anscheinsbeweis kann sowohl im Rahmen der Kausalität, als auch bei der Frage des Verschuldens zur Anwendung kommen. Voraussetzung ist also die sog. Typizität, ein typischer Geschehensablauf.  Der jeweilige Gegner kann diesen Anscheinsbeweis dann wieder dadurch erschüttern, dass er darlegt und beweist, dass im konkreten Fall kein typischer, sondern ein atypischer Geschehensablauf gegeben war.

Ein solch typischer Geschehensablauf wird unter anderem bei Unfällen im Zusammenhang mit einer Rückwärtsfahrt vermutet. Im Wege des Anscheinsbeweises wird dann also davon ausgegangen, dass der Zurücksetzende gegen seine Sorgfaltspflichten nach § 9 Abs. 5 StVO verstoßen und dadurch den Unfall verschuldet hat.

Bei einer Kollision auf einem (privaten, aber öffentlich zugänglichen) Parkplatz, etwa eines Einkaufsmarktes, bei dem beide Fahrzeuge jeweils rückwärts aus ihren Parkflächen herausfahren und miteinander kollidieren, wird daher oft eine gleich hohe Verantwortlichkeit der beiden Beteiligten, mithin eine Haftungsverteilung von 50:50 angenommen. – Wobei Haftungsteilung / Haftungsverteilung 50:50 nicht bedeutet, dass jeder Unfallbeteiligter seinen eigenen Schaden selbst trägt, sondern dass jeder von beiden bei dem jeweils anderen bzw. bei dessen Kfz-Haftpflichtversicherung 50% des eigenen Schadens ersetzt verlangen kann. (Sollten beide bei derselben Versicherung Kfz-haftpflichtversichert und die Schäden sehr unterschiedlich hoch sein, kann es auch sein, dass die Versicherung eine andere Haftungsverteilung versucht!)

Der Bundesgerichtshof hat kürzlich in zwei Grundsatzentscheidungen zur Kollision zweier rückwärts ausparkender Fahrzeuge zwar keine abweichende Haftungsquote für diese Unfallkonstellationen festgelegt. Er hat aber die Anwendung des oben beschriebenen Anscheinsbeweises gegen denjenigen, der zum Zeitpunkt der Kollision bereits gestanden hat, verneint. Dies bedeutet, dass unter Umständen eine vollständige, jedenfalls aber eine überwiegende Haftung desjenigen angenommen werden kann, der gegen den anderen Pkw gefahren ist, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass dieser (Ihr Pkw?) bereits stand. Auch wenn damit der Anscheinsbeweis nicht greift, könnte sich eine (Ihre) Haftung jedoch weiterhin noch aus der Betriebsgefahr des Fahrzeuges oder aus anderen Umständen, aus denen auf ein Verschulden des ursprünglich ebenfalls Rückwärtsfahrenden geschlossen werden kann, ergeben.

Jessica A. Gralher
Rechtsanwältin